Die Familie als Vorbild zum Engagement

Interview mit Parvin Hemmecke-Otte im Rahmen des Projektes „Gut integriert“ zu ihrem ehrenamtlichen Engagement

Im Rahmen des Projekts „Gut integriert durch ein Ehrenamt“ hat die Freiwilligenagentur Jugend-Soziales-Sport e.V. Interviews mit Teilnehmer*innen geführt. Das Projekt verfolgt das Ziel, Menschen mit Fluchthintergrund in ein Ehrenamt zu vermitteln. Parvin Hemmecke-Otte ist schon vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgegangen. Unter anderem auch bei der Freiwilligenagentur. Im Jahr 2019 hat Sie gemeinsam mit der Familie Kiani einen iranischen Abend gestaltet. Ella Bellersen, Mitarbeiterin der Freiwilligenagentur, hat sie zu ihrem Werdegang und ihren Erfahrungen im Ehrenamt befragt. 
Das Interview wurde im Februar 2020 vor der Corona-Krise geführt.



Parvin Hemmecke-Otte mit Ella Bellersen von der Freiwilligenagentur in Braunschweig beim Interview
Februar 2020: Ella Bellersen (links) interviewt Parvin Hemmecke-Otte


Würden Sie sich bitte kurz vorstellen? 

Ich heiße Parvin Hemmecke-Otte. Ich bin gebürtige Iranerin und lebe seit 1980 in Deutschland. Ich habe in Deutschland internationale Agrarwirtschaft studiert. Im Laufe des Studiums habe ich meinen Ehemann kennengelernt und bin deshalb in Braunschweig geblieben. Ursprünglich wollte ich nach meinem Studium wieder zurück in den Iran. 

Warum haben sie sich für das Studium internationale Agrarwirtschaft in Deutschland entschieden? 

Meine Familie hat im Iran einen landwirtschaftlichen Betrieb. Sie haben Pistazien angebaut. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, nach Vollendung des Studiums, im Familienbetrieb zu arbeiten. Außerdem hat mein Bruder schon in Deutschland gelebt. Im Jahr 1979 war im Iran eine Revolution. Es gab viele Unruhen im Land und deshalb war es sicherer in Deutschland zu studieren. 


Iranischer Abend im November 2019 (rechts Parvin Hemmecke-Otte)


Welchen ehrenamtlichen Tätigkeiten gehen Sie nach? 

Ich habe einmal wöchentlich auf ehrenamtlicher Basis im Refugium e.V. Braunschweig als Dolmetscherin gearbeitet. Dieses Ehrenamt habe ich ein Jahr lang getätigt. Außerdem habe ich einmal im Jahr beim Tagestreff „Iglu“ ein Weihnachtsessen für Wohnungslose vorbereitet.  Insgesamt 17 Jahre habe ich das Weihnachtsessen gemeinsam mit dem Verein der Landfrauen in Braunschweig gestaltet. Der Verein der Landfrauen ist ein Verbund von Frauen, die im ländlichen Raum leben. Ich war 17 Jahre Vorsitzende des Kreisverbandes der Landfrauen. Es war eine sehr schöne Zeit. Im Jahr 2012 wurde ich als Landfrau des Jahres ausgezeichnet. Heute bin ich nur noch Mitglied im Verein der Landfrauen. Zurzeit arbeite ich stundenweise in einem Second Hand Shop, der zum Deutschen Roten Kreuz gehört. Mein Team ist toll und die Arbeit macht sehr viel Spaß. Gerade der vielfältige Kundenkontakt bereitet mir sehr viel Freude. Man bekommt sehr viel zurück von den Menschen.  Außerdem bin ich im Haus der Kulturen Vorstandsmitglied. In der Vergangenheit habe ich unter anderem ein Erzählcafé organisiert und angeboten. Das Erzählcafé hat Menschen mit unterschiedlichen Kulturen die Möglichkeit gegeben, sich zu begegnen, sich auszutauschen und zu unterstützen. 


Was war ihre Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren?

Meine Familie hat sich schon immer engagiert. Sie waren ein Vorbild für mich. Ich hatte eine behütete Kindheit und möchte den Menschen etwas zurückgeben, denen es nicht so gut geht. Außerdem profitiert man durch eine ehrenamtliche Tätigkeit. Mein soziales Netzwerk hat sich enorm erweitert. Man bekommt viel von den Menschen zurück. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Mir gibt der Kontakt zu anderen Menschen und das Miteinander sehr viel. 



Parvin Hemmecke-Otte mit Familie Kiani und Ella Bellersen bei der Freiwilligenagentur in Braunschweig
Vor dem Interview mit Familie Kiani bei der Planung des nächsten „Iranischen Abends“
(der am 20.3. 2020 leider wegen der Corona-Krise ausfallen musste!)


Trägt ehrenamtliches Engagement zur Integration bei? Wie hat es Ihnen geholfen? 

Die ehrenamtliche Tätigkeit trägt auf jeden Fall zur Integration bei. Man lernt die deutsche Kultur kennen, da man viel Kontakt zu den einheimischen Menschen hat. Außerdem lernt man die deutsche Sprache besser sprechen. 

Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die Institutionen und Vereine erfüllen sollten, damit Integration durch ehrenamtliches Engagement gelingt? 

Wichtig ist, dass die Ehrenamtlichen Anerkennung und Lob für Ihre Arbeit erhalten. Ehrenamtliche erwarten kein Geld, sondern Wertschätzung für die Zeit und Energie, die sie in die freiwillige Tätigkeit investieren. Anerkennung motiviert Ehrenamtliche weiterzumachen. Von den Menschen, die man unterstützt, kommt sehr viel Dankbarkeit und Anerkennung zurück. Ich wünsche mir, dass die Vereine den ehrenamtlichen Helfern genügend Wertschätzung entgegenbringen! 


Parvin Hemmecke-Otte mit Ella Bellersen von der Freiwilligenagentur in Braunschweig beim Interview
Parvin Hemmecke-Otte (links) mit Ella Bellersen beim Interview


Welche Tipps haben Sie für Iraner, die sich dazu entscheiden, nach Deutschland zu kommen?

Es ist wichtig die Sprache des Landes zu sprechen. Um die Sprache besser zu lernen, ist es vorteilhaft Kontakt zu den Einheimischen aufzunehmen und sich mit der deutschen Kultur auseinanderzusetzen. Auch für die Menschen, die in Deutschland groß geworden sind, ist es wichtig die Kulturen der neuzugewanderten Menschen kennenzulernen. Für beide Seiten kann es ein Zugewinn und eine Bereicherung darstellen, andere Kulturen kennenzulernen.  
Die eigene Motivation ist entscheidend, wenn man sich in Deutschland integrieren möchte. Es gibt viele Angebote und Hilfestellungen, die Neuzugewanderte nutzen können. Letztendlich muss der Wille und die Bereitschaft von ihnen kommen, damit Integration gelingt. Auf der anderen Seite müssen die Menschen in Deutschland den Neuzugewanderten eine Chance geben und sie mit offenen Armen empfangen. Beide Seiten müssen aufeinander zugehen und sich kennenlernen. Vereine sollten Menschen mit Migrationshintergrund eine Chance geben und sie mehr einbinden. 


Was würden Sie Menschen mit auf den Weg geben, die sich engagieren möchten?

Zunächst würde ich jedem empfehlen sich zu trauen, den Kontakt zu Vereinen und Organisationen aufzunehmen. Es gibt für jeden eine passende Tätigkeit. Durch eine ehrenamtliche Tätigkeit profitiert man sehr viel. Man baut sich ein soziales Netzwerk auf! 

Vielen Dank, Frau Hemmecke-Otte, für Ihre Zeit und Offenheit! 


Das Projekt „Gut integriert durch ein Ehrenamt für Neuzugewanderte in Braunschweig“ ist ein über den AWO-Bundesverband ermöglichtes Gemeinwesenorientiertes Projekt (GWOP) – gefördert durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages).