Es macht mich stolz, etwas geschafft zu haben
Herr Kijani und Frau Bayati engagieren sich im Projekt „Gut integriert durch ein Ehrenamt“

Herr Kijani und Frau Bayati sind seit dem 4.Januar 2019 in Deutschland. Gemeinsam mit ihren zwei Söhnen wohnen sie z.Zt. in der Flüchtlingsunterkunft Melverode. Sie haben einen 13-jährigen Sohn, der die 6. Klasse besucht sowie einen 9-jährigen Sohn in der 3. Klasse. Der Aufenthaltsstatus der Familie ist noch ungeklärt und befindet sich z.Zt. in Bearbeitung.
Alle haben sehr schnell die deutsche Sprache gelernt und bringen sich ehrenamtlich ein. Herr Kijani engagiert sich u.a. beim Landesverband Braunschweig der Gartenfreunde e.V. und hat bei der Aktion „Stadtrampe statt Treppe“ in Braunschweig mitgemacht. Frau Bayati gestaltet zusammen mit der Freiwilligenagentur einen Kulturabend, der im November stattfinden wird. Am Wochenende fahren sie als Tandempartner mit Blinden Fahrrad (eine Aktion der Sportabteilung des Blinden- und Sehbehindertenvereins e.V.).
Die Freiwilligenagentur Jugend-Soziales-Sport e.V. hat sie im Rahmen des Projektes „Gut integriert durch ein Ehrenamt in Braunschweig“ in diese Tätigkeiten vermittelt.
Hier sind Auszüge aus einem Gespräch mit Nicole Kupitsch und Matthias Bertram von der Freiwilligenagentur in unserem Büro in Braunschweig:
Herr Kijani, wo haben Sie angefangen, sich ehrenamtlich zu engagieren und was sind Ihre Aufgaben?
Ich habe zunächst bei dem Landesverband der Gartenfreunde angefangen, mich zu engagieren und Unterlagen vom Landesverband bekommen. Ich sollte die Lauben, Häuser und Gewächshäuser auf ihre Baufälligkeit inspizieren, habe Vermessungen durchgeführt, geprüft, ob der Grund noch gut ist oder nicht, ob ein Anbau erlaubt wäre oder nicht. All das habe ich dokumentiert, in einem Bericht zusammengefasst und an den Landesverband geschickt. Es gibt über 100 Kleingärten in Braunschweig, jeden einzelnen habe ich besucht oder werde ich noch besuchen.
Was war ihre Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren?
Anfangs dachte ich, es sei eine gute Möglichkeit, Deutsch zu lernen. Mein Ziel ist es, in meinem alten Beruf arbeiten zu können, wenn meine Deutschkenntnisse besser geworden sind. Immerhin habe ich über 10 Jahre als Ingenieur gearbeitet, in der Universität studiert, viele Aufträge gemacht. Im Moment hilft mir Deutschland und Braunschweig, und ich verpflichte mich, das auch zurück zu geben. Es ist ein Geben und Nehmen – sagt man das so? – und ich halte es für meine Pflicht, etwas davon zurück zu geben.
Warum sehen Sie es als eine gute Möglichkeit, über das Ehrenamt wieder in Ihren gelernten Beruf einzusteigen?
Ich habe dadurch viel Sprachpraxis. Im Kleingartenverein sind viele unterschiedliche Menschen, mit denen man sich über verschiedene Dinge unterhalten kann. Ich fühle mich gefordert. Ich muss auch immer genau erklären, was ich mache und warum, meine Arbeitsabläufe mit den anderen absprechen usw. Es ist für mich sehr gut, dass immer zu wiederholen, es ist eine Übung. Außerdem wollte ich nicht zu Hause herumsitzen und mich langweilen, sondern mich sinnvoll beschäftigen. Das ist für mich wichtig.

Sie haben sich nicht nur beim Landesverband der Gartenfreunde engagiert, sondern auch beim Projekt „Stadtrampen statt Treppen“ in Braunschwieg mitgemacht?
Ja, ich habe zusammen mit dem Behindertenbeirat und der Lebenshilfe bei dem Projekt mitgemacht. Wenn jemand im Rollstuhl sitzt, hat er nicht die Möglichkeit, überall hinein zu kommen. Also hatte der Behindertenbeirat (und weitere Einrichtungen: u.a. die Lebenshilfe Braunschweig und das Projekt „Sandkasten“ – Anmerkung der Freiwilligenagentur) die Idee, kostenlos Rollstuhlrampen zu installieren, wenn ein Büro, ein Geschäft oder eine Praxis diese haben möchten. Unser Team hat sich dann in 6 Gruppen zu je 4 Personen aufgeteilt und diese Einrichtungen besucht. Dort habe ich dann über das Projekt gesprochen. Wir haben dann alles vermessen, Dokumente ausfüllen lassen und diese Dokumente dann an die Lebenshilfe weiter gereicht, die die Rollstuhlrampe bauen wird.
Also hat es Sie gefreut, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten bei der „Stadtrampen statt Treppen“ einbringen zu können, obwohl Sie kein Geld dafür bekommen haben?
Ja, und wenn das Projekt weiterhin meine Hilfe benötigt, bin ich gerne ein weiteres Mal dabei.
Wie finden Sie das Konzept der freiwilligen Arbeit?
Ich finde das gut und schön. Wichtig für mich ist es, Menschen zu helfen, und es gibt viele Menschen, die Hilfe brauchen. Zum Beispiel wie mit den Rollstuhlrampen. Wenn ich jemandem helfen kann, dann freue ich mich, ich fühle mich gut. Ich bin zufrieden mit dieser Arbeit. Manche Leute, mit denen ich mich getroffen und darüber gesprochen habe, fanden das schön und meinten, es sei eine gute Sache. Und es macht mich stolz, etwas geschafft zu haben.
Möchten Sie sich wieder selbstständig machen?
Ich glaube, in Deutschland ist das sehr schwer und sehr teuer. Man muss hohe Steuern bezahlen. Aber wenn jemand in einer Firma oder einem Geschäft arbeitet, ist das günstiger. Es ist mir wichtig, einen Job zu finden, in dem Beruf, den ich gelernt habe. Aber wenn ich keinen finde, dann ist das egal. Ich habe da ein Sprichwort für mich gefunden (lacht) „Wenn jemand Maschinenbauingenieur ist, kann er viel Arbeit haben. Er kann zum Beispiel als Gärtner, als Automechaniker, als Tischler oder als Friseur arbeiten… ich habe alles davon gemacht.
Gab es außer der Sprache in ihrem Ehrenamt noch andere Schwierigkeiten?
Ich kann nicht alleine zu den Kleingärten fahren. Ich muss immer mit einer Kollegin zusammen hinfahren, die hilft zu erklären. Wenn ich besser und schneller Deutsch sprechen kann, dann brauchen wir da nicht zu zweit hin, dann kann ich da auch alleine hin. Und Herr Stübig (Anmerkung: Ingo Stübig ist Geschäftsführer Vorsitzender des Landesverbands der Gartenfreunde) hat mir gesagt, es gibt viele Möglichkeiten, da es viele Kleingärten hier in Niedersachsen gibt, zum Beispiel im Harz, Gifhorn, Hannover. Und wenn ich ein Auto habe, dann kann ich da auch alleine hingehen und die bezahlen mir dann auch das Benzin und alles.

Sie haben vorhin gesagt, sie möchten mit der freiwilligen Arbeit etwas zurückgeben. Würden sie auch anderen empfehlen, sich zu engagieren?
Frau Bayati: Ich finde freiwillige Arbeit ist wichtig, um anderen Menschen zu helfen. Geld verdienen ist nicht so wichtig, anderen Menschen helfen, das ist wichtig. Und viele Menschen brauchen diese Hilfe.
Herr Kijani:Ich kenne eine Frau, sie ist Englischlehrerin, und im Moment lehrt sie in einer Freiwilligenakademie. Ich kann auch anderen Menschen erzählen wie es ist, sich ehrenamtlich zu engagieren. Für mich ist das nicht nur Spaß oder eine Sprachstunde, sondern meine Pflicht. Egal wie groß oder klein meine Aufgabe ist, ich muss sie richtig machen, genau wie meine Arbeit auch. Ich mache da keinen Unterschied, ob ich dafür Geld bekomme oder nicht.
