Rein ins Ehrenamt 1 – Rein ins Leben
Rein ins Ehrenamt – Dokumentation Teil 1 – Vormittag
Die vielen Anmeldungen zur landesweiten Konferenz „Rein ins Ehrenamt“ am 23. Februar 2018 hatten schon im Vorfeld gezeigt, dass es ein großes Interesse daran gibt, darüber zu diskutieren, wie Menschen mit Fluchthintergrund in Ehrenämter vermittelt werden können. Fast 90 Gäste aus ganz Niedersachsen waren gekommen um sich die Vorträge anzuhören und in Workshops aus der Praxis zu erfahren.
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Hier geht es zu Teil 2 der Veranstaltung „Rein ins Ehrenamt“ – Workshops
Grußworte
In seinem Grußwort zum Auftakt der Veranstaltung wies Falk Hensel, Vorsitzender der Freiwilligenagentur und Verbandssekretär bei der Arbeiterwohlfahrt Braunschweig, darauf hin, dass die Vermittlungsarbeit mit der Zielgruppe Geflüchtete viel Geduld brauche – Geduld, die bezahlt werden müsse, weswegen er eine verstärkte finanzielle Unterstützung der Verantwortlichen forderte: „Das Ehrenamt braucht das Hauptamt“, betonte er.
Francesca Ferrari von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen in Niedersachsen stellte anschließend das Projekt „Rein ins Ehrenamt“ vor, in dem es – kurz gesagt – darum geht, Strukturen zu schaffen, die es geflüchteten Menschen erleichtern, sich ehrenamtlich zu engagieren.
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Björn Kemeter vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung wies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Freiwilligenagenturen hin: „Man kann ihre Arbeit gar nicht hoch genug einschätzen“. Das Ministerium fördert das Projekt Rein ins Ehrenamt.
Auch Adama Logosu-Teko von der Leitung des Hauses der Kulturen hieß die 90 Gäste willkommen: „Wir befinden uns hier am ehemaligen Nordbahnhof. Kann man sich ein schöneres Sinnbild vorstellen? Hier beginnen und enden Reisen. Gerade jetzt befinden sich viele Menschen in Deutschland, deren Reise an einem Bahnhof begonnen hat.“ Seine Einrichtung sei „multikulturell (hier gibt es verschiedene Kulturen), interkulturell (hier treten verschiedene Kulturen in Interaktion) und transkulturell (hier sind neue Entwicklungen im kulturellen Bereich zu sehen – Dinge, die früher kaum vorstellbar waren).“ Ziel seines Hauses sei es, dass sich Menschen kennenlernten –„für das Gemeinwohl“.
Danach ging es in die Vortragsphase. Die gesamte Veranstaltung wurde moderiert von Dr. Otmar Dyck (Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften).
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Vorträge
Annette Wallentin – Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Berlin
Annette Wallentin von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen in Berlin referierte in ihrem einführenden Vortrag über das „Ehrenamt für Geflüchtete“ und fand ein schönes Sinnbild für die Unterschiedlichkeit der Akteure in der Freiwilligenarbeit. Bei einem morgendlichen Spaziergang durch Braunschweig, bei dem sie auch den Burgplatz gequert habe, seien ihr die hübschen steinernen Löwen unter den Sitzbänken aufgefallen. „Einige von ihnen gucken ernst und staatstragend, andere gähnten herzhaft oder leckten sich die Pfoten.“ Das seien wohl „zivilgesellschaftliche Löwen“. Das Projekt „Rein ins Ehrenamt“, das zur Hälfte um sei, sei ein Projekt „nicht für, sondern von Geflüchteten“. Hier ginge es darum, Möglichkeiten zu schaffen, um „im Land und in der Gesellschaft anzukommen“ und zwar mit einem gemeinsamen Ehrenamt für Menschen mit und ohne Fluchthintergrund“. Das Modellprojekt „Teilhabe durch Engagement: Das Engagement von und mit Flüchtlingen stärken – Begegnungen schaffen und Beteiligung ermöglichen“ sei mit seinen 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie 250 involvierten Einrichtungen ein großer Erfolg. Nicht zuletzt seien auch mehr als 2000 Menschen bei öffentlichen Veranstaltungen erreicht worden.
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Zwischen den Städten und dem ländlichen Raum, so Frau Wallentin, seien deutliche Unterschiede bei der Umsetzung des Projekts zu erkennen. Auf dem Lande ginge es vor allem erst einmal darum, Engagement-Möglichkeiten aufzutun und Institutionen und Initiativen für die Arbeit mit geflüchteten Menschen zu sensibilisieren. Letztere profitierten übrigens vor allem von der Arbeit mit Kindern, zumindest was die Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse angeht. Jeder Fehler würde von diesen mit einem „Das sagt man nicht so!“ kommentiert. Überhaupt die Sprache – diese sei entscheidend bei der Integration von Zugewanderten, weswegen im Rahmen des Projekts oft auf Übersetzungen verzichtet und lieber einfache deutsche Sprache verwendet werde. Generell seien auch gute Sprachkenntnisse notwendig, um ein Ehrenamt ausüben zu können. B1-Niveau sei eigentlich Voraussetzung. Schön sei es, wenn Teilnehmerinnen und Teilnehmer positive Rückmeldungen geben. „Wenn ich jetzt auf der Straße laufe“, sagte einer von ihnen, „treffe ich immer jemanden, der mich kennt und der mich grüßt.“ Ein anderer sagte, dass ihn sein Engagement „in diesem Land lebendig gemacht“ habe.
Präsentation Annette Wallentin (PDF – ohne Fotos) |
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Joel Darko – Vikar Ecclesia Gemeinde Braunschweig
„Ehrenamt und religiöse Neutralität“ – Joel Darko ist Vikar der Ecclesia-Gemeinde in Braunschweig und damit prädestiniert, zu diesem Thema zu referieren. Zudem er auch selbst einen Migrationshintergrund hat: „Ich möchte gleich zu Beginn ein Geständnis machen: Ich komme nicht aus Deutschland“. Seinen lebhaften Vortrag begann er, in dem er Fotos von Geflüchteten auf Booten zeigte: „Kirchen sind auf ehrenamtliches Engagement angewiesen“, mahnte er in diesem Zusammenhang. Womit sich eine wichtige Frage stelle: „Wie schaffen wir es, Menschen dazu zu bewegen, uns ihr Wertvollstes zu geben: ihre Zeit – das einzige Gut, das sie nicht zurückbekommen können.“ Den französischen Schriftsteller Antoine de St. Exupéry („Der kleine Prinz“) zitierend sagte er: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.“ Das sei nichts anderes als eine Vision, also „ein Bild von einer erhofften Zukunft, die Begeisterung in uns auslöst.“ Ihm sei bewusst, sagte Darko, dass diese Herangehensweise nicht von allen geteilt werde und zitierte den als äußerst pragmatisch geltenden Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Darauf angesprochen, habe eine taubblinde Schriftstellerin geantwortet: „Es ist schlimmer, sehen zu können, aber keine Visionen zu haben. „Menschen“, so Darko, „entwickeln sich durch die Übernahme von Verantwortung.“ Das sei an einem Projekt zu erkennen, das von seiner Gemeinde betrieben werde, das Café der Kulturen. Es beweise, dass „Liebe durch den Magen gehe“. In diesem einfachen Rahmen beginne für viele Menschen freiwilliges Engagement.
Dr. Otmar Dyck, der die Veranstaltung moderierte, machte dem angehenden Geistlichen nach dem Ende des Vortrags ein großes Kompliment: „So einen Pastor hätte mir während meiner Konfirmandenzeit auch gewünscht. Die humorvolle Erwiderung Darkos: „Wenn ich rot werden könnte, würde ich das jetzt tun.“
Präsentation Joel Darko (PDF) |
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Julia Gede – Migrationsberatung / Praktikumsbörse der Arbeiterwohlfahrt Braunschweig
Im Anschluss sprach Julia Gede von der Praktikumsbörse der Arbeiterwohlfahrt über das Ehrenamt in der beruflichen Integration. In der Praktikumsbörse, sagte sie, sähe sie „viele motivierte Menschen, die nicht wissen, wie sie hier weiterkommen können.“ Das Ehrenamt könne dabei hilfreich sein, auch um beruflich Fuß zu fassen. Doch sei es nicht Aufgabe der Praktikumsbörse, „jeden in ein Ehrenamt zu vermitteln, nur weil wir in Deutschland einen Pflegenotstand haben. Und es ist auch nicht jeder Mensch, der zu uns kommt, vermittelbar.“
Vielmehr komme es darauf an, jedem einzelnen individuell zu helfen. Der Unterschied zum Jobcenter sei, dass „wir nur zwei Klienten pro Tag haben und nicht zehn. Dadurch können Beratungen auch schon mal zwei Stunden dauern.“ Individuelle Hilfe – als Beispiel brachte sie einen aus Syrien stammenden Mann, der in seiner Heimat fünfzehn Jahre lang als Trockenbauer gearbeitet habe – ohne, dass ihm dies hier etwas nütze. Die dortige Ausbildung werde hier nicht anerkannt. Da er keine Lust hatte, noch einmal eine Lehre in seinem so lange schon ausgeübten Beruf zu machen, sei man übereingekommen, einen anderen Weg zu gehen. Schließlich sei er Bauzeichner geworden. „Früher ging man davon aus“, so Frau Gede, „dass es drei bis vier Jahre dauern würde bis zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt – heute geht man von sechs Jahren aus“. Die Schlussfolgerung daraus sei: „Habt Geduld!“ Und das lohne sich auch: „Man erlebt jeden Tag viele dankbare Menschen.“ „Ohne ehrenamtliche Helfer ist unsere Arbeit nicht zu leisten!“, erklärte sie zum Abschluss ihres Vortrags. Insbesondere Dolmetscher würden oft gebraucht, um den Kunden der Praktikumsbörse optimal helfen zu können.
Präsentation Julia Gede (PDF) |
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Norbert Rüscher – Koordinator Ehrenamt zur Integration von Flüchtlingen Stadt Braunschweig / Vizepräsident Stadtsportbund Braunschweig
Der letzte Vortrag an diesem höchst informativen Vormittag wurde von Norbert Rüscher gehalten, der als Koordinator Ehrenamt zur Integration von Flüchtlingen bei der Stadt Braunschweig arbeitet und außerdem Vizepräsident des Stadtsportbundes Braunschweig. Er stellte das Integrationskonzept der Stadt Braunschweig vor sowie das Netzwerk „Sport für Flüchtlinge“ mit vielen guten Praxisbeispielen. Wichtig sei es, als allererstes den Zugewanderten das Prinzip Sportverein zu erklären: „Es gibt kein anderes Land – von der Schweiz und Österreich vielleicht abgesehen – mit einer so ausgeprägten Sportvereinskultur wie Deutschland.“ Die Praxis habe zudem gezeigt, dass „Ehrenämter endlich – und nicht unendlich angeboten werden. Damit es überschaubar bleibt und man sich einfach mal ausprobieren kann.“
Präsentation Norbert Rüscher (PDF) |
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Text: Axel Klingenberg (Mitarbeiter im Projekt „Peers helfen“ der Freiwilligenagentur Wolfenbüttel)
Fotogalerie 1 – Facebook Freiwilligenagentur
Fotogalerie 2 – Pinterest Freiwilligenagentur
Dokumentation 1 – „Rein ins Ehrenamt“ Vormittagsprogramm: Grußworte/Vorträge
Dokumentation 2 – „Rein ins Ehrenamt“ Nachmittagsprogramm: Workshops